Worin bestehen die Vorzüge körperlichen Trainings hinsichtlich Gedächtnis und kognitiver Funktion?

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Antwort auf eine Frage im Rahmen eines Online Kurses der McGill Universität, Kanada („MOOC“ *): „Auf den Körper kommt es an“

von Dr. Julia Alleyne

Dr. Alleyne (Twitter account: @JKAlleyne) ist Fachärztin für Sportmedizin zu deren Erfahrungsschatz u. a. ihre Funktion als leitende Medizinerin für Kanada bei diversen olympischen Spielen, sowie bei den Pan-Pazifischen Spielen 2015 gehört. Sie hat zahlreiche führende Positionen in der kanadischen Akademie für Sport- und Bewegungsmedizin (Canadian Academy of Sport & Exercises Medicine “CASEM”), eine der Mitgliedsgesellschaften des BJSM (Anm.: British Journal of Sports Medicine), innegehabt. Ihre akademische Arbeit an der Universitiy of Toronto verbindet sie mit der Tätigkeit als Ärztin bei „Toronto Rehabilitation“.

German translation by Isi Schneider @isi69schneider
German translation by Isi Schneider @isi69schneider

 Weltweit sind geschätzt 44 Millionen Menschen von Demenz und verwandten kognitiven Störungen unmittelbar betroffen (CDC 2014). Der Nutzen eines körperlichen Trainings für Menschen mit einer Demenzerkrankung überwiegt bei Weitem die Risiken, trotz der kognitiven Einschränkungen der betroffenen Personen. Die optimale Art der Betätigung um die kognitive Verarbeitung erfolgreich zu verbessern liegt entweder in einem Ausdauer- oder Krafttraining, oder einem beständigen aktiven Lebenswandel.

Die am meisten verbreitete Ursache von Demenz ist der Altersprozess in Verbindung mit Erkrankungen der Gefäße. Aus diesem Grund, nachdem körperliches Training bekannter Weise in der Lage ist das Vorkommen von Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und Schlaganfällen zu mindern, wird durch Training auch das Altern der Blutgefäße im Gehirn verlangsamt.

Nachweis des Trainingseffekts

Um die Anatomie des Gehirns begutachten zu können, haben Colombe et al. (PNAS 2004) Kernspintomographien älterer Erwachsener unter die Lupe genommen, die sechs Monate lang dreimal pro Woche spazieren gegangen sind, und fanden dabei signifikante Verbesserungen im Volumen der grauen und weißen Substanz. Teresa Liu-Ambrose, verantwortliche BJSM Redakteurin, benutzte funktionelle MRT-Verfahren, um die Gehirnfunktion älterer Erwachsener zu untersuchen, die zweimal pro Woche an einem Krafttraining teilnahmen (Arch Int Med 2010). Sie entdeckte dabei signifikante Verbesserungen in der Hirnfunktion, die auch nach Beendigung des Trainings noch über 12 Monate hinweg anhielten. Diese Veränderungen bestanden u. a. in einem verbesserten Erinnerungsvermögen, der Dauer der Zeitspanne bis zu einer kognitiven Rückmeldung sowie der Fähigkeit, Anweisungen korrekt umzusetzen.

Aber was ist mit den Persönlichkeitsveränderungen und den Stimmungsschwankungen, die mit dem kognitiven Verfall einhergehen? Behrman et al. (Practitioner 2014) haben mit einem ähnlichen Ansatz die bekannten Vorzüge von Training auf depressive Symptome extrapoliert und Trainingseffekte auf ältere Erwachsene unterschiedlicher Jahrgänge näher untersucht. Dabei fanden sie bei Patienten mit milden bis moderaten depressiven Symptomen und damit einhergehender Demenz positive Zusammenhänge zwischen zunehmender Aktivität, wie z.B. Spazierengehen oder Tanzen, und Verbesserungen von Stimmung und Selbstwertgefühl, während andererseits negative und verwirrende Gedanken weniger wurden. Beim Vergleich mit einer Arzneimittelbehandlung stellten sie fest, dass Training genauso effektiv und in der Regel in der Lage ist, den Bedarf nach Medikamenten mit möglichen Nebenwirkungen herabzusetzen.

In einer 2010 von Sofi et al. (J Int Med 2011) durchgeführten Meta-Analyse überprüften die Autoren Studien, in denen Erwachsene ohne Demenzsymptome rekrutiert wurden und in deren Verlauf die kognitive Funktion der Probanden gegenüber möglichen Zusammenhängen mit dem anatomischen Vorhandensein einer Erkrankung überwacht wurde, um feststellen zu können, ob sich das Risiko des kognitiven Verfalls bei sportlich aktiven Erwachsenen verändert.
Es wurden fünfzehn prospektive Studien mit Erwachsenen mittleren Alters gefunden, die einem regelmäßigen aktiven Lebenswandel nachgingen. Die gesamte Analyse folgte mehr als 30.000 Probanden über den Verlauf von 1-12 Jahren und ergab, dass das Risiko des kognitiven Verfalls bei Probanden mit einem hohen Aktivitätsniveau um 38% herabgesetzt war, sowie um 35% bei Menschen mit niedriger bis mittlerer Aktivität, verglichen mit sitzenden Versuchspersonen.

Wie sieht es mit nachteiligen Ergebnissen aus?

In meinem Bemühen eine ausgewogene Forschungslage zu präsentieren, habe ich eine Literatursuche zu möglichen nachteiligen Ergebnissen bezüglich kognitiver Funktion bei aktiven älteren Erwachsenen durchgeführt. Das Resultat ergab lediglich ein paar nachvollziehbare Warnhinweise… ruhig anfangen und langsam aufbauen, um eine Überlastung des Bewegungsapparates zu vermeiden, den nötigen Energiebedarf decken und sicherstellen, dass neue Trainingstechniken unter Anleitung und entsprechender Aufsicht erfolgen. Das Hauptergebnis war jedoch, dass sich die kognitive Leistung durch Training nicht verschlechtert; dies ist die entscheidende Kernaussage!

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass zwischen den schützenden Effekten körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit und dem Erhalt einer adäquaten zerebrovaskulären Versorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff sowie durch unmittelbare endokrine Mechanismen ein enger Zusammenhang besteht. Durch die positiven Effekte von Training auf die Reduktion kardiovaskulärer Risiken wird das Vorkommen damit assoziierter zerebrovaskulärer Ereignisse in Folge von Diabetes, Bluthochdruck, Adipositas und Störungen des Fettstoffwechsels ebenfalls herabgesetzt – und damit auch der krankheitsinduzierte kognitive Verfall. Ein aktiver Lebenswandel schützt darüber hinaus mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das Gehirn durch die Stimulation von Neurotrophinen die, wie ihr Name bereits nahelegt, das Wachstum und Überleben von Nervenfasern sichern. Zu guter Letzt lassen aktuelle Forschungsergebnisse vermuten, dass körperliches Training in der Lage ist, stressbedingte Kortisolwerte zu senken, wodurch ebenfalls die kognitive Funktion langfristig erhalten bleibt.

Abgesehen jedoch von jeglicher Wissenschaft kann ich mich an eine öffentliche Kampagne der vergangenen Jahre erinnern, die selbstbewusst mit dem Slogan Be smart, exercise your heart („Sei schlau, trainiere Dein Herz“) geworben hat. Ich denke die zu Grunde liegende Botschaft lernt langsam laufen – kein Wortspiel beabsichtigt!

P.S.: Dr. Alleyne ist Mitglied der internationalen Expertengruppe, die Fragen von Studenten im Rahmen des MOOC https://www.mcgill.ca/tls/projects/mcgillx/body101x beantwortet.

* Anm. d. Übers.: “MOOC” – “Massive Open Online Course” = Offenes Online Seminar

Der englischsprachige Originaltext ist im Blog des British Journal of Sports Medicine erschienen:

https://stg-blogs.bmj.com/bjsm/2016/02/27/what-are-the-benefits-of-exercise-on-cognitionmemory-answer-to-a-question-from-mcgill-universitys-mooc-massive-open-online-course-the-body-matters/

Übersetzt von

Isabel Schneider

M.A. Englisch als Fremdsprache

MA Sportwissenschaften

Dozent an der H:G Hochschule für Gesundheit und Sport, Technik und Kunst

Isabel.Schneider@my-campus-berlin.com

Physio-Motion – Beratung und Dienstleistungen rund um Sport, Bewegung und Gesundheit

www.physio-motion.de

www.facebook.de/physi0motion

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@isi69schneider

 

Literatur

  1. Stanley J. Colcombe et al; Cardiovascular Fitness, Cortical Plasticity, and Aging Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Vol. 101, No. 9 (Mar. 2, 2004), pp. 3316-3321.
  1. Liu-Ambrose T. et al; Resistance training and executive functions: a 12-month randomized controlled trial, Arch Intern Med. 2010 Jan 25;170(2): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3448565/  (siehe auch http://bjsm.bmj.com/content/43/1/25).
  1. Behrman S, Ebmeier KP.; Can exercise prevent cognitive decline? Practitioner. 2014 Jan;258(1767):17-21, 2-3.
  1. Sofi et al; Physical activity and risk of cognitive decline: a meta-analysis of prospective studies, Journal of Internal Medicine, Volume 269, Issue 1, pages 107–117, January 2011

 

 

 

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